Neuseeland empfängt uns mit einem dunkelgrauen Morgen bei 10°C. „Well, not too bad.“ Die Zollkontrolle von Rädern, Zelt und Lebensmitteln verläuft relativ zügig und unkompliziert, wenn auch unser Qualitätshonig, den wir uns auf Tasmanien geleistet haben, nicht mit einreisen darf und konfisziert wird. Nach dem wir uns vom Honig getrennt haben und vor der Flughafentür stehen, beginnen wir bei leichtem Regen unterm Vordach unsere Räder auszupacken. Ein freundlicher Neuseeländer macht uns darauf aufmerksam, dass ein paar Meter weiter ein Fahrrad-rack und Werkzeug zu diesem Zweck vorhanden sind. Wow, was für ein tolles Land! Wir ziehen also mit unseren Einzelteilen dorthin um und beginnen zu schrauben. Der Umgang mit den Tools ist zwar durch die anhängenden Strippen zum Diebstahlschutz erschwert, doch insgesamt ermöglicht es uns das gleichzeitige arbeiten an den Rädern und hält den Frust über unser eigenes auseinandergefallendes Multitool in Grenzen.
Die Wiederbelebung der Esel verläuft mit Hilfe der Fahrradstation erfolgreich. Mittlerweile regnet es in Strömen, am Himmel ist keine Besserung in Sicht und auch der Wetterbericht gibt keine Aussicht auf eine Lücke. So radeln wir im Regen entlang der Hauptstraße zu Host Ting und sind sagenhaft froh darüber, dass sie nur 6 Kilometer vom Flughafen entfernt wohnt. Durchnässt kommen wir vor der dem Haus an, und hängen unsere gesamte Kleidung auf die Leinen unterm Vordach. Obwohl Ting nicht zu Hause ist, bereitet sie uns einen wundervollen Empfang. Sie hat alles für unsere Ankunft vorbereitet: Schlüssel liegen versteckt bereit, Handtücher für eine warme Dusche liegen auf dem Bett, WiFi-Passwort liegt auf dem Tisch und eine Stadtkarte mit markierten Supermärkten der Umgebung daneben. Perfekt. ?
Nach einer Dusche und einer Tasse heißem Tee bin ich wieder hergestellt, doch Till fühlt sich fern eines Zustandes, den man mit 'fit' beschreibt. Während er eine Runde Schlaf nachholt, fülle ich unsere Lebensmittelvorräte wieder auf. Das erste Mal shoppen in einem neuen Land ist immer spannend: das Angebot hier gleicht dem in Australien – nur teurer. Zusätzlich besorge neues Camping-Gas und ein Repellent gegen die Sandmücken. Letztere sollen der Stachel am Naturerlebnis Neuseelands sein und ihre Bisse schmerzhafter und länger andauernder als die von Moskitos. Langandauernd ist auch Tills Regenerationsschlaf, erst zum Abendessen wage ich, ihn zu wecken. Doch ob Couscous-Salat und Falafel, welche Ting und ich zubereitet haben, bis zum nächsten Morgen eine ausreichende Stärkung darstellen, ist bis zum Zubettgehen ungewiss.
Der Morgen ist mit 4°C zwar sehr kalt, doch die Sonne gibt dem Tag ein freundliches Antlitz und Till fühlt sich besser und fahrbereit. Nachdem wir die Stadt hinter uns gelassen haben, nimmt der Verkehr schnell ab und am Horizont hinter den Feldern tauchen die ersten schneebedeckten Berge auf. Eine Vorfreude durchströmt uns. Wir halten darauf zu, die Miniaturberge gewinnen zunehmend an Größe bis es zu einem stattlichen Gebirge vor uns herangewachsen ist. Unsere Route führt uns dann südwärts, parallel zu den Riesen entlang. Damit drehen wir aus dem Wind, der uns bis eben noch entgegen blies, was uns noch mehr Freiheit gibt, uns an dem österreichähnlichen Landschaftsbild zu ergötzen. Bis zur Tagesmitte sind wir nahezu unbemerkt auf 480 Höhenmeter aufgestiegen. Grüne Wiesen und die gelben Blüten der vom Frühling geküssten Büsche umrahmen das Panorama. Eichen, Birken, Kiefern, Linden und dazwischen uns unbekanntes palmenartiges Gewächs versperren uns zeitweise die Sicht. Ich habe lange bedauert, dass wir mit einem Schlag in unsere ‚alten‘ Leben zurück kehren und nicht nach Hause radeln, langsam heimkommen können. Doch hier wirkt alles wieder bekannter und heimischer – nun, ich beschließe, dies als Teil des Nach-Hause-Kommens anzusehen.
Auch das Durchqueren der ersten Schlucht entlang unseres Weges trübt unsere vom Staunen dominierte Stimmung nicht. Zum Glück lassen wir uns auch nicht davon entmutigen, dass wir aus der Schlucht heraus schieben müssen – nicht der Steigung wegen, sondern des heftigen Gegenwindes, der in die Schlucht hinabfällt. Doch oben lässt der Wind nach und geht die Fahrt weiter. Am Abend kommen wir an einen Rastplatz an einem Fluss, der aus den Bergen herab kommt, die sich dahinter abzeichnen. Die Tage sind erstaunlich lang und so bleibt bis zum Anbruch der Nacht noch genug Zeit, die unglaubliche Aussicht als Erinnerung an den ersten neuseeländischen Tag zu speichern. Wir können nach dem verregneten Start kaum fassen, was für ein großartiger Tag hinter uns liegt.
Wir radeln im Sonnenschein gen Süden alle Höhenmeter wieder hinunter, bevor wir erneut auf die Berge zuhalten. Es ist ein tolles Gefühl, als die schneebedeckten Kuppen wieder riesenhaft am Horizont auftauchen. Bei Gegenwind ziehen Weiden mit Kühen, Schafen und Schweinen vorbei. Es dreht sich jeden Tag aufs neue um den Wind. Hohe Bäume in Reihe stehend sind wie überdimensionierte Hecken beschnitten, um den Wind zu blocken? Oder nur eine ungewohnte Form der Grundstücksbegrenzung? In Geraldine kommen wir an einem Sommerfest vorbei. Schön, die Zelte und Buden als Sommerboten zu sehen. Wir fahren ihnen entgegen, eine freundliche Dame kommt zu uns herüber, als wir langsam zum Eingang laufen. Sie erklärt uns, was hier zelebriert wird und was wir erwarten können. Leider erklärt sie auch, dass der Eintritt je 15$ kostet – wir danken ihr, und drehen wieder unserer Route entgegen.
Die Nacht ist kalt, eine Frostschicht überzieht unser Zelt am Morgen. Aber die Sonne steht am Himmel und ein erster Anstieg bis Fairlie wärmt uns schnell auf. In der kleinen Stadt bereiten wir uns mit Lebensmitteln auf einen morgigen vollen Regentag vor. Bis auf 709 Meter steigen wir zum Burkes Pass auf und rücken näher an die Berge heran, bis man deutlich die Strukturen erkennen kann, die der Gletscher im Stein hinterlassen hat. Auf dem Hochplateau, das wir erreichen, umgibt uns gelbes Grasland mit den weißen Gipfeln im Hintergrund. Das Panorama am Lake Tekapo, an dem wir mittags rasten, ist eine Millionen Dollar wert!
Während wir rasten, ziehen Wolken und ein starker Wind auf. Entlang der Kanalroad verlässt uns der Asphalt und wird zu losen Steinen. Es wird uns darauf unmöglich, uns bei dem Seitenwind auf den Rädern zu halten. Solchen Wind gibt es bei uns gar nicht. Wir müssen schieben (und selbst das ist bei dem Wind schwer) bis die Straße, der wir folgen wollten, den Highway kreuzt. Auf der anderen Seite des Highways geht die Kanalroad in gleicher Richtung als Gravel-Road weiter – unmöglich! So kommen wir nicht vorwärts. Wir setzen die Fahrt daher auf dem Highway 8 fort, der noch 20 Kilometer Richtung Süden verläuft, bevor er ebenfalls nach Westen abknickt. Bis dahin müssen wir einen geschützten Platz für unser Zelt finden. Keine einfache Aufgabe, links und rechts Zäune. Auch wenn uns der Wind nun im Rücken steht, ist die Fahrt nicht ungefährlich und das schlenkerfreie Fahren auf dem Highway ohne Seitenstreifen kompliziert. Die Luftwand der entgegenkommenden Trucks trifft uns jedes Mal hart. Als der Highway schon abknickt, tauchen endlich ein paar Bäume auf. Sie sollen uns als Schutz dienen. Doch der Boden vor dem Zaun ist abschüssig, mit stachelige Zapfen übersäht und der Boden zu weich, um die Anker des Zeltes zu halten. Bei diesem Wind: schlecht. Wir müssen letztlich einsehen, dass wir das Zelt hier nicht zum Stehen bekommen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen ebenfalls Bäume, doch dort nur hinter dem Zaun. An einer Stelle aber ist ein Loch in Zaun, was mich zu einer Inspektion verleitet. Das Mehr an Bäumen bietet ein Mehr an Windschutz, der Boden ist grasig und fester. Es wäre perfekt, wäre da nicht die Grundstücksgrenze und das nahestehende Haus, das ich von hier aus sehen kann (und sicher umgekehrt). Des Mangels an Alternativen wegen schlagen wir dennoch hier unser Zelt auf. Das nahe Hundegebell verstärkt noch mein ungutes Gefühl, besonders vor dem Hintergrund, dass wir dem Wetterbericht nach den gesamten nächsten Tag und eine weitere Nacht hier verbringen müssen. Ich bete, dass wir unentdeckt bleiben.
Dir Nacht verläuft ruhig. Ihr könnt euch kaum unsere Überraschung vorstellen, als es am nächsten Morgen weder regnet, noch kalt und windig ist und wir zudem ein trockenes Zelt haben. Schnell packen wir zusammen und schwingen uns in die Sättel und schon bald erreichen wir Lake Pukaki. Er liegt türkis zwischen den Bergen, an denen die Nebelwolken hängen. Ein paar Sonnenstrahlen kämpfen sich zwischen den Wolken hindurch und lassen im Dunst über dem See einen Regenbogen erscheinen. Es ist ein fantastischer Anblick und bestätigt uns, dass wir mit dem Aufbruch die richtige Entscheidung getroffen haben. Ich bin unbeschreiblich froh, den See in dieser Atmosphäre sehen zu können und froh, im Sattel zu sitzen anstelle den gesamten Tag im Zelt verbringen zu müssen.
Unser Weg führt uns weiter nach Süden durch die high country Landschaft von Grasland, Wiesen mit Lupine und Fingerhut. Unbeschreiblich viele Hasen hoppeln darüber. Auch hier wohnen Elstern in den wenigen Bäumen, die ihre Nester verteidigen. Eine davon hackt Till zweimal in den Helm. Wir treten in die Pedale bis wir Omarama erreichen. Der Himmel verdunkelt sich zusehends und die gelbbraunen Bergen, die nun vor uns liegen und in die wir aufsteigen werden, verschwimmen in diesigem Dunst. Im richtigen Moment taucht ein Gatter auf, hinter dem ein Weg zum Fluss hinunter führt. Ein großer verzweigter Baum bietet den richtigen Platz, um uns und unser Zelt zu schützen. Der Wind braust laut in der Krone, doch bevor der Regen einsetzt, nutze ich die Gelegenheit, mich mit dem Wasser des Flusses zu waschen. Als die ersten Tropfen fallen, husche ich, vielleicht nicht das was man allgemein als sauber bezeichnet aber immerhin erfrischt, ins Zelt. Till meint: „du bist verrückt.“ „Warum?“ „Hier kann doch jeden Moment jemand vorbei laufen.“ „Ach, da kommt doch keiner.“ In diesem Moment hören wir draußen Stimmen, die zum Fluss hinab laufen.
Wir beschließen am Morgen trotz der frischen 4°C sehr früh aufzubrechen, um vor dem Einsetzen des Windes schon einige Kilometer in der Tasche zu haben. Doch trotz des frühen Starts, ist der Wind schon da. Die ersten 10 Kilometer pedalieren wir hart gegen den Wind. Als der Weg danach den Lindis Pass hinauf steiler ansteigt, bieten die Berge mehr Windschutz. Das motiviert uns, die karge, braune Landschaft bis auf 965 Meter hinaufzusteigen. Der kalte Wind und die Regentropfen motivieren hingegen nach dem Erreichen des Passes dazu, die mehr als 700 Meter zum Lake Dunsten hinabzufahren und somit wieder in die Höhe von grünen Wiesen mit riesenhaften Bewässerungsgerätschaften zu gelangen. Am See liegt Cromwell idyllisch zwischen den Felsen, in die das Gletscherwasser die Schlucht geschnitten hat. An den Felsen gedeiht violettes Erikagewächs (oder zumindest ähnlich aussehend), das einen Duft zwischen Lavendel und Kamille versprüht. Es versüßt uns im wahrsten Sinne des Wortes die Fahrt. Wir kommen an eine Kreuzung, an der eine Straße nach Queenstown führt, einem Zwischenziel der Südinseltour, und eine weitere Straße zurück zur Ostküste führt. Die Verlockung ist groß, gleich hier nach Westen abzubiegen, doch wir haben eine Verabredung in Dunedin. Letzteren Weg, der zunächst nach einem Umweg ausschaut, schlagen wir also ein. Diese Entscheidung soll sich später als sehr entscheidend herausstellen.
Die Sonne steht früh über dem Canyon, in dem wir einen netten Schlafplatz direkt am Fluss gefunden hatten. Den verkehrsreichen Highway 8 um Cromwell verlassen wir in Clyde, um auf den Otaru Central Rail Trail zu kommen. Es wirkt wie eine Erlösung. Der Offroad-Track entlang der ehemaligen Eisenbahnstrecke aus der Goldrauschzeit führt durch sagenhaft schöne Landschaft. Der Weg, der durch die Felsen gesprengt ist, steigt sachte an, führt dicht an Schluchten und dem Abgrund zum Fluss hinunter entlang. Wir schlängeln uns zwischen grauen Felsschiefern und gelben Blüten hindurch, durch Tunnel, über Brücken und Weiden. Niemand sonst ist auf dem Trail unterwegs, so können wir die gesamte Schönheit ungestört auf uns wirken lassen und am Abend direkt am Wegrand unser Zelt aufschlagen. Die Schafe blöken, der Fluss rauscht, die Vögel singen hier wieder. Die Idylle wird nur durch den ersten Kontakt mit den Sandfliegen gestört. Till hat schon nach kurzer Zeit zerstochene Knöchel – Bisse, die tagelang jucken werden. Er versucht, die attackierenden Insekten zu erschlagen – jeder Schlag gibt einen Treffer. Doch es sind schier zu viele, um den Erfolg auch nur ansatzweise zu bemerken.
Bis zu seinem Ende in Middlemarch folgen wir dem Trail, dann geht es weiter entlang des Highway 8 nach Dunedin. Wechsel von steilem Auf und Ab gilt es zu überwinden, bevor wir die Küstenstadt erreichen. Nun ist es Zeit für ein wenig Sightseeing: die erste Kirche Otagos, St. Paul’s Cathedral und Baldwin Street, die steilste Straße der Welt. Nachdem wir einen Eindruck von der Atmosphäre der Stadt bekommen haben, freuen wir uns auf das Wiedersehen mit Paul und Adrienne. Die beiden Radler haben wir in Australien getroffen und sie haben uns eingeladen, sie zu besuchen. Unser Timing ist hervorragend: zwei Tage mit viel Regen können wir im gemütlichen und warmen Heim der beiden verbringen. Zu gleicher Zeit fallen an der Westküste, an der wir nun wären, hätten wir an der besagten Kreuzung den Weg nach Queenstown eingeschlagen, 300 mm Regen pro Quadratmeter. Diesen Regenmassen hätte unser Zelt nicht standhalten können. Erdrutsche versperren Straßen, Asphaltstücke brechen weg, eine Brücke stürzt ein. Und stattdessen sitzen wir mit Tee vor dem Kamin, backen mit Adrienne die hier berüchtigten Anzac-Biskuits. Was für folgenschwere, in diesem Fall positive, Auswirkungen doch eine Begegnung auf der Straße haben kann!
Wir genießen irgendwie das Gefühl, genau hier dem antipodalen Punkt von Deutschland (also genug auf der gegenüberliegenden Seite der Erde) am nächsten zu sein (nicht exakt genau dort, mitten im Ozean). Als dieser Moment genossen ist, kommt der Moment des Aufbruchs. Eine Fahrradroute führt uns aus der Stadt heraus und am Meer entlang nach Süden in die Catlins. Grüne Hügel und viel Weideland prägen die Südküste der Insel. Dabei fahren wir erfolgreich dem erneut angekündigten Regen davon. Während einer Rast in Papatowai kommt ein interessierter Bewohner zu uns herüber. Wayne berichtet uns von einem ‚geheimen‘ Wasserfall (Koropuku falls) die er und ein Freund bei einer Wanderung durch den Busch entdeckt haben. Er sei zwar nicht so spektakulär wie die McLean Falls, aber dafür nicht von Touristen überlaufen. Das klingt verlockend und wir folgen seiner Empfehlung – ein Abstecher, der sich wirklich lohnt. Allein der Weg dorthin ist ein wahres Buscherlebnis: durch dichtes, moosbehangenes Gewächs, zwischen Farnen hindurch, so groß wie Palmen, und am Ende des 'Tunnels' der idyllisch gelegene Wasserfall.
An diesem Tag begegnen wir gleich zwei Reiseradler: zunächst einem Italiener, der das Auf und Ab durch die Hügellandschaft im Süden beklagt. „Wir haben Alpen, da fährt man hinauf und dann ist man oben. Aber hier gibt’s nur Auf und Ab, nee, da kommt man nirgends an.“ Am Ende des Tages kommt Robert des Weges, gerade als wir uns schon einen semi-adäquaten Platz am Straßenrand für unser Zelt ausgemacht haben. Er berichtet uns von einem kostenfreien Campingplatz fünf Kilometer in die Richtung, aus der wir gerade kamen. Wir folgen ihm dorthin und genießen die Gesellschaft des schwedischen Radlers. Hier begegnen wir weiterhin einem Leipziger/Zwickauer Pärchen, das für ein work-and-travel-Jahr hier ist. Dies ist die erste von unzähligen Begegnung mit deutschen Reisenden. Es überrascht uns doch ungemein, für wie viele Touristen aus der Heimat Neuseeland Reiseziel ist. Na das passt doch gut in meine 'Heimkehrtheorie'.
Das Wetterglück ist uns hold und auch das Glück, am folgenden Abend einen weiteren kostenfreien Campingplatz am Strand von Monkey Island zu finden. Doch die dunklen Wolken am folgenden Morgen am Himmel in die Richtung, in die wir fahren, verheißen nichts Gutes. Zudem pfeift ein starker Wind übers Meer und bläst uns entgegen. Nach einer Stunde intensivem Pedalieren haben wir gerade mal acht Kilometer auf dem Zähler zu verzeichnen. Wenn auch langsam, so sind wir doch an den dunklen Wolken vorbei gekommen und nach zehn Kilometern dreht unsere Route nach Norden. Weg von der Küste, aus dem Wind, zurück in die Berge. Sie spenden Windschutz und nach kurzer Zeit tauchen auch die weißen Kuppen wieder auf. Ein Gefühl der Freude durchströmt mich, als sie immer näher kommen. Ist es dieses Hochgefühl, die Sonne oder die Bergauffahren, die mich dazu bringen, auf kurze Hosen zu wechseln?
Am Mittag halten wir auf einem kleinen Rastplatz, hinter dem sich eine ausgezeichnete Campingmöglichkeit bietet. Uns ist bewusst, dass das Campen je näher wir dem vor uns liegenden, touristischen Örtchen Manapouri kommen, immer schwerer werden wird. Und ob sich da noch so ein guter Platz finden lässt? Doch es ist erst Mittag. Wie so oft überlegen wir hin und her, was wohl die richtige Entscheidung ist. Wir entscheiden uns für die Weiterfahrt – ein guter Entschluss sagt uns das schöne Wetter, und der Platz im Wald, den wir am Abend ausmachen ebenso.
Das viel angepriesene Städtchen Te Anau ist vom Tourismus gezeichnet und versprüht uns gegenüber trotz der Lage am Bergsee keinerlei Charme. So setzen wir die Fahrt fort, mit dem Wind im Rücken, unter der Wärme der Sonne, auf ebener Strecke, entlang von Wiesen und vorbei an gelben Hängen mit Bergpanorama. Der Wind trägt uns leicht und weit, bis auf den ruhigen Around-the-Mountains-Trail, der gute Möglichkeit für ein Nachtlager bietet. Der Tag scheint perfekt, als wir unser Zelt auspacken, das nach dem Reißen des Zeltsacks nun in der Dusche wohnt. Der Ablauf und die Aufteilung der Aufgaben beim Zeltaufbau sind Routine. Diese Routine wird an diesem Abend im Moment des Aufrichten des Zeltes von einem lauten 'Knack', dem Geräusch eines brechenden Astes gleich, unterbrochen. „Was war das?“ frage ich. „Das war unsere Zeltstange.“ Das Zelt sackt zusammen, es fühlt sich wie der Einsturz einer Wand des eigenen Hauses an…